Faktencheck

Von den Befürwortern der Reaktivierung werden immer wieder Argumente in den Ring geworfen, die bei näherer Betrachtung zweifelhaft sind. Hier eine Auswahl:

Münster wächst, deshalb brauchen wir die Bahn
Münster wächst, das ist richtig. Aber: Münster wächst vor allem im Zentrum und im Westen; der Südosten hat nur geringen Anteil am Wachstum. Wenn tatsächlich in den nächsten Jahren 20000 Menschen nach Münster kommen, entfallen auf den Südosten gerade mal rund 1500. Davon sind maximal 1000 potenzielle Pendler, und nur ein Bruchteil davon will in die Stadt. Wie viele werden wohl die Bahn nutzen? Für die Investitionskosten könnte man jedem der 1000 Pendler einen Mittelklassewagen schenken, und mit den Subventionen für die Betriebskosten wären auch locker Steuer, Versicherung und Benzin drin.

Auf dem Gelände der York-Kaserne werden Tausende wohnen
Richtig. Aber diese Menschen haben die Buslinie 6 genau vor der Haustür, die sie zügig und flexibel in die Stadt bringt – wozu sollten sie also über einen Kilometer weit zum Bahnhaltepunkt laufen?

Die Bahn ist leise
Die jüngsten Planungen von ZVM und WLE sehen kilometerlange Lärmschutzwände in weiten Teilen des Südosten vor. Wenn die Lärmbelastung vernachlässigbar wäre, hätte man den Lärmschutz gar nicht einplanen müssen.

Viele Autofahrer werden auf die Bahn umsteigen
Wer heute trotz der Staus mit dem Auto in die Stadt fährt und ganz bewusst nicht das Busangebot nutzt, wird erst recht nicht in die Bahn steigen, mit der er wesentlich unflexibler wäre. Die größten Arbeitgeber der Stadt sind weit vom Hauptbahnhof entfernt – für viele Pendler ist der ÖPNV einfach zu umständlich.
Bereits jetzt kann man aus Richtung Warendorf per Zug in die Stadt fahren; die Einfallstraßen sind trotzdem verstopft. Gleiches gilt für die Autobahn 43, obwohl man in Dülmen, Nottuln oder Senden-Bösensell in den Zug umsteigen könnte.  Für alle Autofahrer auf diesen Routen ist der morgendliche Stau offenbar das kleinere Übel – wieso sollten sich ausgerechnet die Pendler aus dem Südosten anders verhalten?

Mit der Bahn spart man Zeit
Wer nah am Bahnhaltepunkt wohnt und nur zum Hauptbahnhof möchte, für den trifft das zu. Wer aber dort in den Bus umsteigen muss, muss durch den gesamten Bahnhof zu den Bussteigen laufen und verliert schon auf diesem Weg den Zeitvorteil. Wer weiter weg wohnt und erst noch zum Haltepunkt kommen muss, für den wird der Weg in die Stadt zur Odyssee.

Das Nahverkehrsangebot wird verbessert
Die bestehenden Buslinien 8, R32 und S30 werden laut Planungsunterlagen eingeschränkt oder eingestellt. Damit entfällt für viele Bürger die Möglichkeit, in fußläufiger Entfernung in den ÖPNV einzusteigen.
Wer heute zwischen sechs und neun Uhr von Albersloh aus nach Münster möchte, hat elf Busverbindungen zur Auswahl. Mit der Bahn blieben sechs Möglichkeiten übrig – eine Halbierung des Angebots! Das ÖPNV-Angebot wird also deutlich unattraktiver, weshalb viele stattdessen lieber ins Auto steigen werden.

Es wird Park&Ride-Parkplätze geben
Für Parkraum ist an den Bahnhaltepunkten in Münster gar kein Platz – dort steht dichte Bebauung. Ein Verkehrschaos durch Parkplatzsucher in den Wohngebieten wäre daher vorprogrammiert. Wer jeden Morgen zehn Minuten lang einen Parkplatz suchen muss, kann auch gleich mit dem Auto in die Stadt fahren.
In Albersloh und Sendenhorst hat man Platz für jeweils ca. 40 Autos eingeplant. Dies steht im krassen Gegensatz zu den prognostizierten Fahrgastzahlen.

Die Bahn ist umweltfreundlich
Aus Platzgründen kann die Strecke nicht elektrifiziert werden, also müssen Züge verkehren, die ihren Treibstoff selbst mitführen. Aktuell kommen ausschließlich Dieselloks infrage; der Brennstoffzellenantrieb für Züge ist noch nicht für den Regelbetrieb freigegeben – und niemand weiß bisher, wie teuer Brennstoffzellen-Loks sein werden.
Eine dieselbetriebene Eisenbahn ist im Vergleich zum Bus nur dann umweltfreundlicher, wenn sie entsprechend ausgelastet ist. Die bekannten Fahrgastprognosen und der Umstand, dass die Lokalpolitik die Buslinie 8 redundant weiter betreiben möchte, deuten auf eine eher geringe Fahrzeugauslastung hin, sodass pro Fahrgast deutlich mehr Dieselkraftstoff verbraucht wird. Die Bahn ist überdimensioniert; folglich würden viele leere Sitzplätze durch die Landschaft gefahren, was keineswegs umweltfreundlich ist. Ein ökologisch sinnvoller Betrieb wäre nur möglich durch eine Erhöhung der Auslastungsquote – hierfür müsste jedoch der Takt reduziert und/oder der Parallelverkehr der Busse vermieden werden.

Das Land übernimmt die Kosten
Die Millionen, die das Land für Streckenreaktivierungen bereitstellt, wachsen auch in Düsseldorf nicht auf Bäumen – das sind unsere Steuergelder!
Zudem ist der Betrieb einer Bahnstrecke im Vergleich ca. dreimal so teuer wie der einer vergleichbaren Buslinie. Die Einsparungen, die durch den Wegfall von Busverbindungen entstehen, werden also durch höhere Betriebskosten mehr als neutralisiert – in der Summe ist die Bahn für die öffentliche Hand wesentlich teurer als der Bus!

Die Linie 8 wird doch gar nicht eingestellt
Der Ratsbeschluss der Stadt Münster aus dem Jahr 2010 ist eindeutig (Beschlussvorlage V/0846/2010). Dort heißt es:
„Die Verwaltung wird beauftragt, auf Basis der Ergebnisse des Gutachtens die weiteren Arbeitsschritte zur Reaktivierung des SPNV auf der Strecke Münster – Neubeckum unter Federführung
des ZVM gemeinsam mit dem Kreis Warendorf zu begleiten.“
Dieser Beschluss fußt auf dem Spiekermann-Gutachten, in dem eindeutig formuliert ist, dass die Linie 8 eingestellt wird; nur so kommt die ökonomische Bewertung mit der errechneten Wirtschaftlichkeit zustande. Der Beschluss aus 2010 wurde bisher durch keinen anderen Ratsbeschluss abgewandelt, so dass die Bedingung der Einstellung der Linie 8 fortbesteht.
Zwar gibt es mittlerweile von einigen Parteien Relativierungen und gegenläufige Positionen; diese sind aber eben nicht durch einen Beschluss des Stadtrates gedeckt. Es wäre ein Leichtes, hier durch einen neuen Ratsbeschluss Sicherheit für die Bürger bezüglich des Erhalt der Linie 8 herbeizuführen, wenn man es politisch wollte.